21.03.2022

Die Feier fällt aus

Der Nordische Rat beging in der vergangenen Woche den 70. Jahrestag seiner Gründung. Doch zum Feiern dürfte den fünf Partnern nicht zumute gewesen sein. Zu groß sind die Herausforderungen, vor denen die nordischen Länder stehen. Eine Bestandsaufnahme.

 

Blick in den Sitzungssaal des Nordischen Rates. Bild von Joakim Honkasalo auf Unsplash.
Keine Feierlaune zum Jubiläum: der Nordische Rat wird 70. © Joakim Honkasalo auf Unsplash.

 

Als der Nordische Rat im März 1952 erstmals tagte, fehlte ein Partner: Aus Furcht vor dem übermächtigen Nachbarn Sowjetunion trat Finnland erst nach drei Jahren bei. Heute, 70 Jahre später, gucken die fünf nordischen Länder erneut mit Sorge nach Russland. Der Krieg in der Ukraine überschattet das Jubiläumsjahr. 

 

Ernüchternde Realpolitik beherrscht die Tagesordnung, wenn der Rat an diesem Montag in Malmö zusammenkommt. Die russische Invasion in der Ukraine wird das beherrschende Thema sein – und die Frage, wie sich der Norden künftig positionieren soll.

 

Die nordische Kooperation ist die weltweit älteste regionale Partnerschaft. Diskussionen über die Arbeit und Ausgestaltung der Institutionen gab es von Anfang an. Doch im 70. Jahr nach der Gründung des Nordischen Rates stehen die Partner vor besonderen Herausforderungen. Denn noch nie waren die Nord-Länder so uneinig wie heute.

 

Der Wille nach einer eigenständigen Rolle des Nordens auf der weltpolitischen Bühne hat die Zusammenarbeit der Fünf stets geprägt. Erst im vergangenen Jahr hat der Rat seine gemeinsame Vision bekräftigt, bis 2030 zur nachhaltigsten und am stärksten integrierten Region der Erde zu werden. Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen zunehmend auseinander.

 

Mehr Wunsch als Wirklichkeit

 

Seit langem verfolgen die nordischen Länder in der Wirtschaftspolitik unterschiedliche Interessen. Während Island seine Fischindustrie schützen will, hat Dänemark die Wettbewerbsfähigkeit seiner Landwirtschaft im Blick, und Schweden sorgt sich um seine Papier- und Metallindustrie.

 

Doch es sind nicht nur die heterogenen Wirtschaftsstrukturen, die das Quintett trennen. Auch die unterschiedliche Anbindung an Europa war stets ein Hindernis für eine noch engere Zusammenarbeit. Während Dänen, Schweden und Finnen ihre Zukunft in der Europäischen Union sehen, verfolgen die EWR-Mitglieder Island und Norwegen die politische und wirtschaftliche Integration nur als Zaungäste.

 

Hinzu kommt das Unbehagen der Regierungen in Kopenhagen, Reykjavík, Helsinki, Oslo und Stockholm, die nordischen Institutionen mit weitergehenden Kompetenzen auszustatten. Das hat Reformbemühungen in der Vergangenheit immer wieder ausgebremst. Häufig blieb es beim kleinsten gemeinsamen Nenner – wenn überhaupt.

 

Denn die Fliehkräfte nehmen zu. Zuletzt stritten die fünf Partner über die richtige Corona-Strategie, über geschlossene Grenzen, unterbrochene Verkehrsverbindungen und den Umgang mit Migrantinnen und Migranten.

 

Belastungsprobe für nordische Kooperation

 

Und die aktuelle geopolitische Lage dürfte zu einer weiteren Belastungsprobe für die innernordischen Beziehungen werden.

 

Schon seit ihrem EU-Beitritt 1995 haben sich Finnland und Schweden der westlichen Sicherheitszusammenarbeit sehr weit angenähert. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat die Debatte um einen Nato-Beitritt der beiden Länder erneut Fahrt aufgenommen.

 

Nun rächt es sich, dass der Nordische Rat die Außen- und Sicherheitspolitik bisher fast vollständig von der Zusammenarbeit ausgenommen und den Regierungschefs überlassen hat.

 

Über kurz oder lang werden die fünf Partner die Frage beantworten müssen, welchen Mehrwert die nordische Zusammenarbeit künftig noch hat. Kein Wunder, dass im Jubiläumsjahr keinem wirklich zum Feiern zumute ist.

 

 

Text: Nicole Maschler


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