16.06.2024

Wind, Regen und ein Freudenfest

In diesem Jahr feiert Islands Republik ihren 80. Geburtstag. Nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft eroberte sich der Inselstaat 1944 seine Freiheit zurück – und verteidigt sie seither beharrlich. Nicht zum Spielball der Großen werden, ist Leitfaden aller Politik.

 

Islands Nationalheiligtum Þingvellir. Bild von Gunnar Sigurðarson auf Unsplash.
Geburtsstätte einer Nation: Þingvellir. © Gunnar Sigurðarson auf Unsplash.

Der 17. Juni 1944 war windig und regnerisch. Doch für Island war es trotzdem ein Freudentag. Vor fast 30.000 Menschen wurde am Lögberg, dem Gesetzesfelsen der Wikinger in Þingvellir, die Unabhängigkeit des Landes ausgerufen und Sveinn Björnsson zum ersten Präsidenten gewählt.

 

Auch wenn Island eine vergleichsweise junge Republik ist, reicht ihre Tradition doch weit zurück: Isländisch ist eine der ältesten Sprachen der Welt. Das Parlament heißt noch immer Alþing – wie die Volksversammlung der Wikinger, die das Eiland im 9. Jahrhundert auf der Suche nach Freiheit von Norwegen aus besiedelten.

 

Diese ging verloren, als Island gegen Ende des 13. Jahrhunderts nach blutigen Familienfehden und bürgerkriegsähnlichen Zuständen zunächst an die norwegische, ab 1387 dann an die dänische Krone fiel.

 

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts steuerte Dänemark die Geschicke der Insel – politisch und wirtschaftlich. Alles, was nicht auf der Insel selbst produziert werden konnte, durften die Einwohner ausschließlich aus Dänemark importieren. Der Handel mit Schiffen aus anderen Ländern stand unter Strafe.

 

Durch das dänische Handelsmonopol blieb Island nicht nur arm, sondern auch isoliert. Das erschwerte jede Veränderung.

 

Als das Revolutionsjahr 1848 Dänemark eine Verfassung bescherte, regten sich auch in der abgeschiedenen Kolonie im Nordatlantik die Geister.

 

Besonders der Politiker und Historiker Jón Sigurðsson, dessen Denkmal heute in Reykjavík vor dem Parlament steht, war ein Vorkämpfer für Islands Selbständigkeit.

 

Zähe Verhandlungen

 

In zähen Verhandlungen konnte das Inselvolk Dänemark nach und nach Selbstbestimmungsrechte abringen. Zur 1000-Jahr-Feier der Besiedlung brachte König Christian IX. 1874 ein „Geschenk“ mit. Das Land erhielt eine Verfassung, hatte aber nach wie vor keine eigene Exekutive.

 

Von 1870 bis 1914 verließen rund 17.000 Menschen die Insel, um der wirtschaftlichen Not zu entfliehen – 15 Prozent der damaligen Bevölkerung.

 

Nach der Jahrhundertwende erlebte Island einen gewaltigen Aufschwung. Industriebetriebe entstanden, der Fischfang entwickelte sich, Schulen, Krankenhäuser und Straßen wurden gebaut.

 

Nach einem Volksentscheid 1904 besetzte mit Hannes Hafstein erstmals ein Isländer den Ministerposten für Island im dänischen Kabinett, vertrat die Insel nach außen und war gegenüber dem Alþing verantwortlich.

 

Doch erst 1918 leitete der Unionsvertrag mit Dänemark die Unabhängigkeit des Landes ein. Island war nun ein souveräner Staat, allerdings blieb der dänische König vorerst auch Herrscher über die Insel. Dänemark sollte das Land weiter in der internationalen Politik vertreten und auch die isländische Fischereizone verteidigen.

 

Aber das Unionsgesetz war kündbar, und der Zweite Weltkrieg veränderte alles.


17.06.2018 | Unsplash

2018 feierte Island den 100. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Der Weg dahin war weit. Im 13. Jahrhundert fiel die Insel erst an Norwegen, dann an Dänemark. In zähen Verhandlungen rangen die Isländer:innen der Krone mehr und mehr Rechte abMehr



Im Mai 1940 besetzten die Briten die strategisch wichtige Insel, nachdem deutsche Truppen in Dänemark eingefallen waren.

 

1941 regelte ein Abkommen, dass die USA künftig den Schutz übernehmen sollten, um die britische Armee zu entlasten. 60.000 US-amerikanische und 25.000 britische Soldaten wurden auf der Insel stationiert.

 

Unmittelbar nach der Besetzung Dänemarks hatte das isländische Parlament eine Resolution angenommen, mit der die Befugnisse des dänischen Königs auf die Regierung übertragen wurden. Ein Teil der Abgeordneten wollte sich umgehend von Dänemark lösen; andere fanden es schäbig, die Situation auszunutzen.

 

Erst 1943 sagte sich Island schließlich von Dänemark los. In einem Referendum, an dem sich 98,6 Prozent der Bevölkerung beteiligten, stimmte eine überwältigende Mehrheit für die Unabhängigkeit.

 

In Þingvellir, am Ort des historischen Alþing, wurde am 17. Juni 1944, dem Geburtstag von Jón Sigurðsson, die Republik Island ausgerufen.

 

Nach Jahrhunderten der Isolation, Not und Erniedrigung hatte sich das Land seine Freiheit zurückerobert – und verteidigt sie seither konsequent. Nicht zum Spielball der Großen zu werden – das ist Leitfaden der isländischen Außenpolitik.

 

Nie wieder zum Spielball werden

 

In den sog. Kabeljau-Kriegen mit Großbritannien stritt Island erfolgreich für das alleinige Nutzungsrecht der Fischgründe innerhalb seiner 200 Seemeilen umfassenden Küstenzone.

 

Bis heute ist Island kein Mitglied der Europäischen Union und wahrte in der Vergangenheit Distanz zur Nato. Als einziges Bündnismitglied besitzt der Inselstaat keine Streitkräfte und ist auf die Interaktion mit den Verbündeten angewiesen.

 

Doch Russlands Überfall auf die Ukraine stellt auch in Island jahrzehntelange Gewissheiten infrage.

 

Der 80. Jahrestag der Republik erinnert daran, welchen Wert die Freiheit hat und wie fragil Demokratien sind.


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