15.06.2021
Ein Gesetz mit 28 Artikeln sorgt in Island dafür, dass der Nachwuchs einen alltagstauglichen Namen erhält. Um den Start ins Leben nicht unnötig zu verkomplizieren, gibt es sogar eine offizielle Liste erlaubter Namen. Doch auch vor ihr macht die neue Zeit nicht halt.
Island bekommt neue Namen. Künftig darf der Nachwuchs Gosi, Egilíana, Haron oder Martel heißen, und selbst Elizabeth ist erlaubt, obwohl der Buchstabe „Z“ aus isländischer Sicht nicht ganz glücklich ist. Das berichtete jetzt das Online-Magazin Reykjavík Grapevine.
Zwar wachen auch deutsche Standesämter darüber, dass niemand als Jägermeister, Lenin, Holunda oder Sputnik durchs Leben gehen muss. Doch in kaum einem Land ist das Namensrecht so streng geregelt wie in Island.
Seit 1996 gibt es auf der Insel sogar ein Namensgesetz: Vor-, Nach- und Beinamen sind dort in 28 Artikeln minutiös geregelt. So braucht jedes Kind mindestens einen Vornamen – mehr als drei dürfen es aber nicht sein.
Selbstredend, dass bei der Namenswahl isländische Aussprache und Grammatik zu beachten sind. Also bloß kein Name mit C, W oder Z, die kommen in Island nicht vor.
Und Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ nicht vergessen. Lässt sich ein Vorname nämlich nicht vernünftig deklinieren, taugt er aus isländischer Sicht nichts.
Das Namenskomitee entscheidet
Zumindest sieht es das Namenskomitee so, das im staatlichen Auftrag für den guten Ruf der Nachkommenschaft sorgt. Regelmäßig wird deshalb auch über Namen aus dem Ausland entschieden – siehe oben.
Schließlich will man die Sprösslinge nicht dem Gespött aussetzen. Namen machen eben Leute.
Um den Start ins Leben nicht unnötig zu verkomplizieren, gibt es eine offizielle Liste mit erlaubten Namen – so behalten alle den Überblick.
Immerhin haben es 2.771 weibliche und 2.604 männliche Namen ins amtliche Verzeichnis geschafft. An gesetzeskonformen Alternativen herrscht also kein Mangel.
Bedauernswerte Stúlka und Drengur
Dennoch gibt es auf der Insel bedauernswerte Personen, die schlicht Stúlka und Drengur heißen – also Mädchen und Junge. Kinder, deren Eltern sich ob der länglichen Liste (noch) nicht entscheiden konnten oder Unglücksraben, deren Namen in Island verboten sind.
Denn bislang durften Männer nur als männlich registrierte Namen tragen und Frauen das weibliche Gegenstück. Noch 2018 wurde einer Vierjährigen der Namenswunsch Alex verwehrt. Ein Name, argumentierte das zuständige Komitee, müsse Auskunft über das Geschlecht des Trägers bzw. der Trägerin geben.
Der Vorname, so viel steht fest, will in Island gut überlegt sein. Denn er allein zählt – kennt doch das isländische Recht keine Familiennamen.
Heißt der Vater Jón, lautet der Nachname des Sohnes Jónsson, bei der Tochter wird daraus Jónsdóttir. Da auch die Mutter bei der Hochzeit ihren Vatersnamen behält, gleicht in der vierköpfigen Familie kein Name dem anderen – ein Graus für deutsche Standesbeamte, ein Gesetz in Island.
Telefonbuch aus Vornamen
Kein Wunder, dass sich auch im Telefonbuch seitenlang nur Eddas, Hildurs, Ragnars und Erics finden. Erst an zweiter Stelle folgt der Vatersname mit der Endung -dóttir (Tochter) und -son (Sohn). Um Verwechslungen zu vermeiden, wird oft noch der Beruf oder ein zweiter Vorname hinzugesetzt.
Allein, das Namensrecht wächst sich zum Problem aus, wenn der kleine Ragnar Jónsson im Erwachsenenalter lieber als Frau leben oder sich ganz von den Geschlechtern lösen will.
Und so hat das isländische Parlament im Juni 2019 festgelegt, dass das Namensregister künftig nicht mehr zwischen männlich und weiblich unterscheidet. Seither gibt es neben -son und -dóttir auch eine geschlechterneutrale Endung: -bur – Kind oder Nachkomme.
Alternativ kann man die Nachsilbe jetzt auch einfach ganz weglassen. Namen, ist man geneigt zu sagen, sind Schall und Rauch.
Text: Nicole Maschler