01.11.2022
Mit dem Heringsfieber begann Islands Aufbruch in die Moderne. Es waren die Frauen in den Fischfabriken, die mit harter Arbeit dafür sorgten, dass die Insel sich zur Exportnation entwickelte. Jetzt entsteht in Siglufjörður ein Denkmal zu Ehren der Heringsmädchen.
Einst machten die Heringsmädchen das Silber der See zu Gold. Jetzt werden die Frauen, die Islands legendäre Herings-Ära prägten, mit einer Skulptur geehrt.
Und welcher Ort wäre dafür besser geeignet als Siglufjörður im Norden der Insel – die einstige Welthauptstadt des Herings, die wie keine andere für Islands späten Aufbruch in die Moderne steht.
Vor 120 Jahren hatten Norweger vor der Nordküste Islands den ersten Hering gefangen, und bald entstanden überall entlang der isländischen Küste Häfen und Fischfabriken. 400 Fischerboote waren allein in Siglufjörður registriert.
Das verschlafene Nest entwickelte sich zur fünftgrößten Stadt Islands, in der während der Hauptsaison bis zu 15.000 Menschen arbeiteten – auf den Fangschiffen, in den fünf Fischfabriken oder an den 25 Einsalz-Stationen.
Aus ganz Island kamen junge Frauen, um sich in den Sommermonaten ein Zubrot zu verdienen – eben die Heringsmädchen. An langen Trog-Reihen nahmen sie im Akkord Fische aus. War ein Fang besonders ertragreich, dauerten die Schichten auch mal bis zu 20 Stunden.
In den Kriegsjahren war der Hering aus Island besonders begehrt; Exporte gingen nach Skandinavien, Russland, Deutschland und in die USA. Zeitweise machte der Fisch ein Drittel der isländischen Ausfuhren aus.
Modernisierung im Schnelldurchlauf
Das Land erlebte eine Modernisierung im Schnelldurchlauf, für die es andernorts Jahrhunderte brauchte – Hallgrímur Helgason hat diese Geschichte von Armut und Elend, Fleiß, Aufstieg und Wohlstand in seinem Roman 60 Kilo Sonnenschein in wunderbaren Bildern beschrieben.
Im sehenswerten Heringsmuseum (Síldarminijasafnið) in Siglufjörður – 2004 mit dem renommierten Luigi Micheletti-Award als bestes Industriemuseum Europas ausgezeichnet – wird das Leben der Fischer und der Frauen in den Fischfabriken heute wieder lebendig.
Der Hafen, eine Fabrik und die Quartiere der Heringsmädchen sind hier so realistisch nachgestellt, als wären die Arbeiterinnen gerade beim Einkaufen oder auf einen kleinen Plausch fortgegangen.
Die jetzt geplante Skulptur wird ihren Platz denn auch auf dem Museumsgelände finden, wie die Tageszeitung Morgunblaðið auf ihrer Website berichtet. Die isländische Regierung fördert das Projekt mit 15 Millionen Isländischen Kronen (gut 100.000 Euro).
3-D-Modell der geplanten Figurengruppe
auf der Website des isländischen Künstlers Arthur Ragnarsson
© Arthur Ragnarsson
Der Entwurf für die Figurengruppe, die aus witterungsbeständigem Spezialstahl gefertigt wird, stammt von dem isländischen Künstler Arthur Ragnarsson. Ende Juli 2023 soll sie eingeweiht werden – rechtzeitig zum 120-jährigen Jubiläum der Herings-Ära.
Seinen Höhepunkt hatte das isländische Heringsfieber nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch Ende der 1960er Jahre war der Boom von einem Tag auf den anderen vorüber, die Fischgründe waren leergefegt. Anfang der 1980er Jahre lebten in Siglufjörður gerade noch 1.000 Menschen.
Heute erlebt der kleine Ort eine erstaunliche Wiedergeburt – als Zentrum des isländischen Ski-Booms. Und erinnert stolz an seine glanzvolle Geschichte, den Silberschatz und natürlich die Heringsmädchen.
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