27.11.2023
600 Texte. Damit begann sein neuestes Literatur-Projekt. Jetzt hat der isländische Dichter und Autor Ragnar Helgi Ólafsson sein im Elif Verlag erschienenes Werk Lose Blätter auf einer Lesereise durch Deutschland vorgestellt. Entstanden ist ein sehr persönlicher Band.
600 Stück. So viele Gedichte und Texte hatte Ragnar Helgi Ólafsson in seiner Sammlung Lose Blätter, die er zusammenbinden wollte, damit sie nicht verloren gehen, wie er es mit einem Augenzwinkern ausdrückt.
Der gleichnamige Band, der jetzt im Elif Verlag erschienen ist, umfasst 150 Texte: Spottgedichte, Reisezyklen, Liebesgeschichten, Wiegenlieder, Trauerverse.
Entstanden ist ein "poetisches Tagebuch", das Ólafsson nun in der Botschaft von Island in Berlin vorgestellt hat – eine von insgesamt sechs Stationen auf der Lesereise des isländischen Autors.
Die Hauptaufgabe sei es gewesen, eine Auswahl zu treffen, erinnert er sich im Gespräch mit Übersetzer und Weggefährte Wolfgang Schiffer. Und das hat er gemacht.
Individuelles Lesezeichen
Und zwar in doppelter Hinsicht: Alle Bücher enthalten ein individuelles Lesezeichen. Eine Empfehlung Ólafssons, in welcher Reihenfolge die Texte zu lesen sind.
Eine inspirierende Idee, wie der Selbstversuch von Autor und Übersetzer auf der Bühne zeigt, die sich anhand der angegebenen Nummern durch die Sammlung hangeln. Ólafsson, so scheint es, lässt sich gerne selbst überraschen, und hat mit Schiffer einen idealen Sparringspartner gefunden.
Dazu passt, wie Ólafsson seinen Tagesablauf beschreibt. Er sitzt nicht morgens am Schreibtisch in der Hoffnung auf dichterische Eingebung, sondern schreibt am Ende des Tages über das, was ihn berührt hat. „Lyrik“, sagt Ólafsson, „macht wach, die Dinge in der Welt überhaupt wahrzunehmen“.
© DIG
Ólafsson ist in vielen Disziplinen zuhause: Dichtung, Schriftstellerei, Musik, bildende Kunst – „ein Multitalent“, wie ihn Wolfgang Schiffer beschreibt, der den Abend moderiert und den 300 Seiten starken Band gemeinsam mit seinem langjährigen Übersetzer-Kollegen Jón Þor Gislason mit großer Sorgfalt und Sprachliebe ins Deutsche übertragen hat.
Auch die Gestaltung des Werkes hat Ólafsson, wie häufig, selbst übernommen. Nur das Bild auf dem Cover stammt vom befreundeten Künstler Ragnar Kjartansson – es zeigt einen stilisierten Storch. Eine Anspielung auf das Gedicht „Der Pfeilstorch“.
Ein 1822 erlegter Weißstorch, der beim jährlichen Flug nach Afrika durch einen Jagdpfeil verletzt wurde, überstand die Rückkehr nach Europa mit der Waffe im Leib. Eine beinahe unglaubliche Geschichte.
An den Grenzen der Realität
In der Kunst gehe er gerne an die Grenzen der Realität, betont Ólafsson. Gedichte seien selten eine Abbildung der Wirklichkeit. Vielmehr zeigten sie häufig das, was nicht da sei. Sie eröffneten einen anderen Zugang zur Welt.
Kunst schaffe Unsicherheit und mache dadurch bescheiden. „Wir leben in der Realität, wir brauchen nicht noch mehr davon“, sagt Ólafsson.
Sollte Poesie eine größere Rolle in der Kunst spielen? Nein, findet der Autor. Im Gegenteil: „Das wäre ein Alptraum.“ Lyrik mache eher leise auf die Dinge aufmerksam. „Und so sollte es auch bleiben, damit sie ihre Kraft behält.“
Ragnar Helgi Ólafsson
Lose Blätter
Gedichte und Texte
304 Seiten
Elif Verlag, Nettetal
Erscheinungstermin: 25.09.2023
Hliðstæðar víddir II – Parallel Dimensions II
Wie die Textsammlung von Ragnar Helgi Ólafsson Lose Blätter ist auch ein Werk von Ragnar Kjartansson in der aktuell laufenden Ausstellung Parallel Dimensions II der isländischen Botschaft zu sehen.
Laufzeit bis zum 13.01.2024 | Eintritt frei und ohne Anmeldung
Führungen
jeweils mittwochs um 12:30 Uhr und freitags um 15:00 Uhr
Eintritt frei | Anmeldung erbeten
Nordische Botschaften
Felleshus – Gemeinschaftshaus
Rauchstraße 1 | 10787 Berlin
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