16.05.2023

Gipfeltreffen des Europarates in Reykjavík

Im Mittelpunkt des Gipfels am 16. und 17. Mai 2023 in Islands Hauptstadt steht der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Es ist erst der vierte Gipfel in der Geschichte der internationalen Menschenrechtsorganisation – und das größte Event, das Island je gesehen hat

 

Logo des Europarat-Gipfels am 16. und 17. Mai 2023 in der isländischen Hauptstadt Reykjavík. Bild von Europarat.
Logo des Europarat-Gipfels am 16. und 17. Mai 2023 in der isländischen Hauptstadt Reykjavík. © Europarat.

 

Es ist das vielleicht wichtigste Gipfeltreffen in der Geschichte des Europarates – und das kleine Island ist Gastgeber. Am 16. und 17. Mai 2023 treffen sich die Staats- und Regierungschefs der 46 Mitgliedstaaten in der isländischen Hauptstadt Reykjavík.

 

Ausgerichtet wird das Gipfeltreffen, das im Konferenzzentrum Harpa stattfindet, von der isländischen Regierung – namentlich Premierministerin Katrín Jakobsdóttir und Außenministerin Þórdís Kolbrún Reykfjörð Gylfadóttir – sowie dem Vorsitzenden des Ministerkomitees des Europarates.

 

Im Rahmen des isländischen Vorsitzes tagt der Europarat erst zum vierten Mal überhaupt in seiner Geschichte. Laut der isländischen Regierung handelt es sich um das größte Treffen dieser Art, das jemals auf der Insel ausgerichtet wurde.

 

Im Oktober 1986 waren der damalige US-Präsident Ronald Reagan und der Generalsekretär des ZK der KPdSU, Michail Gorbatschow, zu einem historischen Treffen im Höfði-Haus in Reykjavík zusammengekommen und hatten damit dem INF-Abrüstungsvertrag den Weg geebnet.

 

Neben den Staats- und Regierungschefs der 46 Mitgliedstaaten sind bei dem jetzigen Gipfel in Reykjavík auch die sechs Länder mit Beobachterstatus (USA, Kanada, Japan, Mexiko, Israel und der Vatikanstaat) sowie die wichtigsten internationalen Organisationen vertreten.

 

Insgesamt werden rund 1.000 Teilnehmende und bis zu 500 Medienvertreter:innen zu dem Gipfel erwartet.

 

Island hat 2022/23 den Vorsitz im Europarat inne

 

Island hatte im November 2022 den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates von Irland übernommen und führt die Organisation durch schwierige Zeiten.

 

Mit der russischen Invasion in die Ukraine sind die Prinzipien des Europarates unter Druck geraten. Der Gipfel in Reykjavík ist daher Ausdruck des Bemühens, die Solidarität unter den Mitgliedstaaten zu stärken und den grundlegenden Werten der Organisation neue Geltung zu verschaffen.

 

Die Entscheidung, den Gipfel in Reykjavík abzuhalten, war im November 2022 gefallen. Zuvor hatte die isländische Regierung ihre Bereitschaft erklärt, das Treffen auf der Insel zu organisieren, bei dem der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Mittelpunkt steht.

 

Die in Reykjavík versammelten Staats- und Regierungschefs wollen bei dem zweitägigen Gipfel ihr gemeinsames Bekenntnis zu den Werten des Europarates bekräftigen und dessen Kernaufgaben neu definieren. Zudem soll es bei dem Treffen auch um weitere Unterstützung für die Ukraine gehen.

 

So soll ein internationales Schadensregister etabliert werden, das die Kriegsfolgen in dem durch den russischen Angriff versehrten Land dokumentiert. Ziel sei es, eine Grundlage für Entschädigungszahlungen zu schaffen und die Verantwortlichen für die Kriegsschäden zur Verantwortung zu ziehen, wie der Europarat auf seiner Website mitteilte.

 

Islands Präsidentschaft im Europarat

Schwerpunkte des isländischen Vorsitzes sind vier Kernthemen: die Grundprinzipien des Europarates, Umwelt, Gleichstellung sowie Kinder und junge Menschen. Foto: © Europarat

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Islands Premierministerin Katrín Jakobsdóttir betonte im Vorfeld, dass sie von dem Gipfel greifbare Entscheidungen erwarte.

 

„Ich glaube, dass der vierte Gipfel in der Geschichte der Organisation ein historischer sein wird. Wir haben die Chance, entscheidende Schritte zu unternehmen, um Russland für die Aggression gegenüber der Ukraine haftbar zu machen", zitiert die Website der Regierung die isländische Ministerpräsidentin.

 

„Wir werden aber auch über den Stand von Menschenrechten und Demokratie in turbulenten Zeiten sprechen, in denen nicht nur ein Krieg in Europa herrscht, sondern die Welt auch mit dem Klimawandel konfrontiert ist, der uns alle bedroht“, sagte Jakobsdóttir, die zugleich Vorsitzende der Links-Grünen-Bewegung in Island ist.

 

Der Gipfel sei das größte internationale Event, das jemals in Island stattgefunden hat.

 

"Islands Beitrag zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit"

 

„Viele Menschen waren im Vorfeld daran beteiligt, diesen bestmöglich vorzubereiten.“ Island nehme seine Verantwortung ernst und trage mit der Ausrichtung des Gipfels zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit bei, so Jakobsdóttir. 

 

Für den Europarat-Gipfel in Reykjavík gelten strenge Sicherheitsvorkehrungen. Sämtliche Straßen rund um den Veranstaltungsort Harpa sind für den Verkehr gesperrt. Laut der isländischen Tageszeitung Morgunblaðið wird es zudem Seepatrouillen geben; auch Helikopter sind im Einsatz.

 

Die isländische Polizei wird laut dem nationalen Rundfunksender RÚV durch ausländische Sicherheitskräfte unterstützt, insbesondere aus den nordischen Ländern. Zudem gibt es eine enge Kooperation mit dem Europäischen Polizeiamt (Europol), um die Sicherheit vor während der Veranstaltung zu gewährleisten. 

 

Island, das der Organisation am 7. März 1950 als zwölfter Mitgliedstaat beigetreten war, hat den Vorsitz 2022/23 zum dritten Mal inne (nach 1955 und 1999).

 

Beim Gipfel in Reykjavík wird die isländische Regierung den Staffelstab in dieser Woche an Lettland weiterreichen.



Europarat in Kürze

 

Der Europarat ist die führende Menschenrechtsorganisation in Europa. Sein Ziel ist die Förderung der Demokratie sowie der Schutz von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in Europa.

 

Die Organisation wurde vor beinahe auf den Tag genau 74 Jahren – am 5. Mai 1949 – in London gegründet, um die Demokratie in Europa zu festigen und den Ausbruch weiterer Kriege auf dem Kontinent zu verhindern.

 

Das Gremium mit Sitz in Straßburg hat 46 Mitglieder, von denen 27 der Europäischen Union (EU) angehören; sechs weitere Länder haben einen Beobachterstatus an; neben den USA, Kanada und Japan sind dies Mexiko, Israel und der Vatikanstaat.

 

Die 46 Mitgliedstaaten des Europarates haben sich der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (ECHR) verpflichtet.

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) überwacht als Rechtsprechungsorgan, dass die Vertragsparteien ihre Verpflichtungen im Rahmen der Konvention erfüllen.

 

Fotos: © Europarat.

 

Das erste Gipfeltreffen des Europarates fand 1993 in Wien statt. 1997 tagte er in Straßburg. Der letzte Gipfel fand 2005 in Warschau statt. Das jetzige Treffen auf Island ist erst der vierte Gipfel in der mehr als 70-jährigen Geschichte der Organisation.

 

Die Präsidentschaft rotiert nach dem Alphabet zwischen den Mitgliedern; jedes Land hat den Vorsitz für sechs Monate inne. Island sitzt dem Ministerkomitee von November 2022 bis Mai 2023 vor.

 

Russland, das der Organisation 1996 beigetreten war, gehört dem Europarat nicht mehr an. Nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 waren ihm zunächst die Stimmrechte in der Parlamentarischen Versammlung entzogen worden.

 

Es boykottierte daraufhin die Versammlung und stellte seine Zahlungen an den Europarat ein. Nachdem die Regierung in Moskau formell ihren Austritt aus dem Gremium erklärt hatte, beendete das Ministerkomitee des Europarates Russlands Mitgliedschaft im März 2022 auch offiziell.


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