06.12.2021
Im Nordosten Islands soll das erste unterirdische Magma-Observatorium entstehen. Die Wissenschaft hofft darauf, mehr über das Verhalten der feuerspuckenden Riesen zu erfahren – und die Wirtschaft verspricht sich einen Durchbruch bei der Energieversorgung.
Im Fantasy-Klassiker Reise zum Mittelpunkt der Erde steigt der Hamburger Professor Otto Lidenbrock am Vulkan Snæfellsjökull ins Erdinnere hinab. Nur einige hundert Kilometer weiter will es ein internationales Forscherteam dem Helden von Jules Verne nun gleichtun: Im Nordosten der Insel soll das erste unterirdische Magma-Observatorium der Welt entstehen.
An dem 100 Millionen Dollar-Projekt Krafla Magma Testbed (KMT) beteiligen sich 38 Forschungsinstitute und Unternehmen aus elf Ländern, darunter Deutschland, den USA, Großbritannien und Frankreich.
Die ersten Bohrungen sollen 2024 starten. Das Team hofft, direkt in die Magma-Kammer des Krafla-Vulkans bohren zu können – und so mehr über das Verhalten der feuerspuckenden Riesen zu erfahren. Die Wissenschaftler:innen versprechen sich davon Erkenntnisse für die Grundlagenforschung und Geothermie sowie die Vorhersage von Vulkanausbrüchen.
Denn während ausgespuckte Lava inzwischen gut erforscht ist, ist über ihre Zwillingsschwester – die zähflüssige Magma unter der Erde – bisher nicht viel bekannt.
Der jetzt geplanten Expedition ging eine unerwartete Entdeckung voraus: Als das Geothermal-Kraftwerk in der Nähe des Vulkans Krafla 2009 erweitert werden sollte, stieß das Bohr-Team auf eine riesige Magma-Kammer – in einer Tiefe von 2,1 Kilometern.
Ein echter Zufallstreffer
Dabei hatten die Ingenieure den 900 Grad heißen Gesteinsbrei erst ab 4,5 Kilometer Bohrtiefe erwartet. Verletzt wurde zum Glück niemand, und nach dem ersten Schreck erkannte die Wissenschaft die einmalige Chance, die sich durch den Zufallstreffer bot.
Und auch der staatliche Stromversorger Landsvirkjun wittert schon einen Durchbruch für die Energieversorgung: Denn mit dem besonders heißen Dampf ließe sich die Ausbeute der Erdwärmekraftwerke in Vulkangebieten vervielfachen.
Das Risiko, den schlafenden Riesen zu wecken, halten die Forscher:innen für sehr gering. Weltweit seien ein Dutzend Bohrlöcher an drei verschiedenen Orten in der Welt auf Magma gestoßen – und bisher sei nichts passiert, zitiert die Nachrichtenagentur AFP den Geophysiker John Eichelberger von der University of Alaska in Fairbanks.
Doch einen Vulkan anzubohren, ist technisch sehr anspruchsvoll – müssen die Bohrstangen doch der Korrosion durch 450 Grad heißen Dampf standhalten.
Und: Es gibt keine Erfahrungswerte. Schließlich wurde unterirdisches Magma bisher noch nie aus der Nähe beobachtet, abgesehen von Zufallsbohrungen – siehe oben.
Da hätte sogar der unerschrockene Professor Lidenbrock feuchte Hände bekommen.
Insel der Vulkane
Island ist einer der vulkanisch aktivsten Orte der Welt. Hier gibt es rund 130 Vulkane, 32 davon sind aktiv. Auch wenn sich Vulkanausbrüche nur alle vier bis fünf Jahre ereignen, ist die Erde hier doch immer in Bewegung.
Denn die Insel liegt direkt auf dem Mittelatlantischen Rücken, der die nordamerikanische von der eurasischen Erdplatte trennt. Die tektonischen Platten bewegen sich voneinander weg, und der Platz dazwischen füllt sich mit Magma.
Die 818 Meter hohe Krafla ist das Zentrum eines 100 Kilometer langen Vulkansystems in der Nähe des Mývatn-Sees, das mehr als 200.000 Jahre alt ist. Die letzten Ausbrüche ereigneten sich von 1975 bis 1984.
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