10.04.2024
Der neue Premierminister war bereits 2017 isländischer Regierungschef; aber nach den Enthüllungen der Panama Papers zerbrach die damalige Koalition. Trotz aller Affären hat es der Vorsitzende der Unabhängigkeitspartei jetzt erneut bis an die Spitze geschafft.
Der neue isländische Premierminister ist der alte: Außenminister Bjarni Benediktsson, von Januar bis November 2017 Amtsvorgänger der bisherigen Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir, wird den Posten übernehmen. Das berichtete das Nachrichtenmagazin Iceland Review am Dienstag in seiner Online-Ausgabe.
Bjarni Benediktsson ist seit 2009 Parteivorsitzender der Unabhängigkeitspartei (Sjálfstæðisflokkurinn), der größten der drei Regierungsparteien, die über 17 Sitze im AlÞing, Islands Parlament, verfügt.
Seine Stellvertreterin im Amt des Parteivorsitzenden, die derzeitige Finanzministerin Þórdís Kolbrún Reykfjörð Gylfadóttir, wird erneut das Amt der Außenministerin übernehmen, das sie bereits bis zur Kabinettsumbildung im Oktober 2023 inne hatte.
Neuer Wirtschafts- und Finanzminister wird der bisherige Infrastrukturminister Sigurður Ingi Johannsson, der Vorsitzende der Fortschrittspartei (Framsóknarflokkurinn, kurz: Framsókn) – der dritten Partei des Regierungsbündnisses, die bei der letzten Wahl 2021 auf 13 Mandate kam.
Auf ihn folgt Svandís Svavarsdóttir, die bislang Ministerin für Landwirtschaft, Fischerei und Lebensmittel war und sich zuletzt einen harte Auseinandersetzung mit dem einzigen kommerziellen Walfangunternehmen Hvalur hf. geliefert hatte, das Klage gegen die Veterinär- und die Fischereibehörde eingereicht hat.
Den Parteivorsitz der Links-grünen Bewegung, die über acht Parlamentssitze verfügt, übernimmt Sozialminister Guðmundur Ingi Guðbrandsson.
Katrín Jakobsdóttir hatte am vergangenen Freitag ihren Posten als Parteichefin abgegeben und am Sonntag bei Staatspräsident Guðni Th. Jóhannesson um ihre Entlassung gebeten. Dieser beauftragte sie bis zur Klärung der Nachfolge mit der kommissarischen Amtsführung.
Ruf nach vorgezogenen Neuwahlen
Die nun erfolgte Einsetzung Bjarni Benediktsson hat zu scharfer Kritik und dem Ruf nach vorgezogenen Neuwahlen geführt.
Benediktsson war im Oktober 2023 zurückgetreten, nachdem der parlamentarische Ombudsmann des AlÞing eine kritische Stellungnahme zu den Vorgängen um die Privatisierung der Islandsbanki veröffentlicht hatte.
Benediktsson war in der Stellungnahme als befangen eingestuft worden, da sein Vater einer der Käufer des Aktienpakets gewesen sei. Der Parteivorsitzende hatte hingegen argumentiert, nichts von dem Geschäft gewusst zu haben und stellte sich öffentlich gegen die Stellungnahme.
Überraschender Postentausch
Überraschend kündigte er daraufhin den Rückzug von seinem Amt an und tauschte schließlich den Posten mit Außenministerin Þórdís Kolbrún Reykfjörð Gylfadóttir.
Hintergrund für die gestrige Regierungsumbildung ist die Ankündigung der bisherigen Premierministerin Katrín Jakobsdóttir, bei den Präsidentschaftswahlen am 1. Juni 2024 zu kandidieren.
Amtsinhaber Guðni Th. Jóhannesson, der den Posten seit 2016 innehat, hatte in seiner Neujahrsansprache angekündigt, sich nicht erneut zur Wiederwahl zu stellen. Die Amtszeit des parteilosen Historikers läuft am 31. Juli 2024 aus.
06.04.2024 | © Unsplash
Am 1. Juni 2024 wählt Island ein neues Staatsoberhaupt. Jetzt hat auch die bisherige Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir ihren Hut in den Ring geworfen. Ihr
Amt als Premierministerin und den Posten als Parteivorsitzende gibt sie auf. Mehr
Inga Sæland von der populistischen Volkspartei (Flokkur fólksins), die erst Anfang der Woche einen Misstrauensantrag gegen die bisherige Ministerin für Landwirtschaft, Fischerei und Lebensmittel, Svandís Svavarsdóttir, vorgelegt hatte, überlegt gar, nun gegen die gesamte neue Regierung einen Misstrauensantrag zu stellen.
Immerhin sei “der Politiker, der in jeder einzelnen Umfrage der unbeliebteste gewesen ist, jetzt Premierminister”, und innerhalb von sieben Monaten sei dies sein drittes Ministerium, das wecke eher wenig Vertrauen, so Inga.
Nächste Wahlen 2025
Die Vorsitzende der sozialdemokratischen Allianz (Samfylkingin – jafnaðarmannaflokkur Íslands, kurz: Samfylkingin), Kristrún Frostadóttir, sagte, die scheidende Regierung hinterlasse eine schwierige Lage, und nichts deute darauf hin, dass die neue Regierung diese Probleme werde lösen können. Sie hätte lieber Neuwahlen schon im Herbst gesehen.
Neben der Allianz sind derzeit die Volkspartei (6 Sitze), die Piratenpartei (6 Sitze), die liberale Reformpartei (5 Mandate) und die Zentrumspartei (3 Sitze) in der Opposition.
Die nächsten regulären Parlamentswahlen finden im Herbst 2025 statt.
Umstrittene Figur
Durch die Veröffentlichung der sog. Panama Papers – vertrauliche Unterlagen des panamaischen Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca – im Frühjahr 2016 wurde bekannt, dass Benediktsson als Generalbevollmächtigter der Offshore-Gesellschaft Falson & Co. tätig war, die im Jahr 2005 vom Unternehmen Mossack Fonseca auf den Seychellen gegründet worden war. Noch im Februar 2015 hatte er in einer Fernsehsendung gesagt, er habe „nie irgendwelche Anlagen in Steueroasen oder dergleichen gehabt“.
Nach der vorgezogenen Parlamentswahl vom 29. Oktober 2016 hatte die Koalition aus Unabhängigkeits- und Fortschrittspartei ihre Mehrheit verloren. Nachdem es keinem Parteivorsitzenden gelungen war, eine neue Regierungskoalition zu bilden, hatte letztlich Bjarni Benediktsson den Posten des Premierministers in einer Koalition aus Unabhängigkeitspartei, Strahlende Zukunft (Björt framtíð) und Reformpartei (Viðreisn) erhalten, die seit dem 11. Januar 2017 die Regierung Islands stellte.
Am 15. September 2017 brach das Kabinett auseinander, als Björt framtíð die Koalition verließ.
Anlass dafür war auch damals der Vater von Bjarni Benediktsson, der sich mit einem Empfehlungsschreiben für die «Wiederherstellung der Ehre» eines wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Pädophilen eingesetzt hatte; der Unabhängigkeitspartei und ihrem Vorsitzenden wurde vorgeworfen, versucht zu haben, die Urheberschaft des Schreibens zu vertuschen.
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