Ein Vierteljahrhundert nach Gründung des Europäischen Wirtschaftsraums hat sich die Welt verändert. Das hat auch Konsequenzen für die Zusammenarbeit zwischen Island und den skandinavischen Ländern im Nordischen Rat. Die Partner müssen sich neu finden.
Der Brexit wirft seine Schatten voraus – bis in Europas Norden. Island und Norwegen haben angekündigt, enger zusammenarbeiten – gegenüber der Europäischen Union und Großbritannien.
Zwar sind beide Länder keine Mitgliedstaaten der EU. Aber zusammen mit Liechtenstein gehören sie zu dem vor 25 Jahren – am 1.1.1994 – begründeten Europäischen Wirtschaftsraum, in dem die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (freier Waren-, Personen, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr) gelten; ausgeklammert von der Zusammenarbeit wurden hingegen Wirtschafts- und Währungspolitik.
Ein Vierteljahrhundert nach Gründung des EWR hat sich die Welt verändert – und mit ihr die Rolle der Nordländer im geopolitischen Gefüge. Sie stehen vor der Herausforderung, sich neu zu erfinden, wollen sie sich auch in Zukunft politisches Gehör verschaffen.
Im Fokus steht dabei die institutionalisierte Zusammenarbeit der nordischen Staaten (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden), die seit 2014 einen Reformprozess durchläuft.
Nicht nur die Beziehungen zum schwierigen Nachbarn Russland gilt es neu zu gestalten, sondern auch zu den USA, lange Zeit Modell für das liberal-demokratische Gesellschaftssystem des Westens.
Künftiges Verhältnis zur EU
Vor allem aber geht es um das künftige Verhältnis zu einer Europäischen Union im Wandel - Stichwort EU-Zukunftsprozess und Brexit. Verschärft wurde der Handlungsdruck durch die Flüchtlingskrise, die auch die nordischen Länder zu spüren bekamen.
Die Institutionalisierung der nordischen Zusammenarbeit erfolgte in Etappen: 1952 wurde der parlamentarische Nordische Rat gegründet, zehn Jahre später der Kooperationsvertrag von Helsinki unterzeichnet, 1971 der Nordische Ministerrat eingesetzt.
Heute umfasst die Kooperation die Sozialpolitik und den Ausbau des nordischen Wohlfahrtsstaates, Kultur, Umwelt, Bildung und Forschung. Außenpolitik, Sicherheit und Verteidigung sowie die Wirtschaftszusammenarbeit blieben auch hier außen vor. Ein Modell, das über lange Zeit hinweg funktionierte.
Doch unter den veränderten Rahmenbedingungen droht es, in die Sackgasse zu führen. Denn die Institutionen der nordischen Zusammenarbeit verfügen über keine umfassenden Kompetenzen, und die höchste politische Ebene war bisher nur unzureichend eingebunden.
Künftig sollen sich die Regierungschefs nach dem Vorbild des Europäischen Rates regelmäßig treffen, um der institutionalisierten Zusammenarbeit mehr politisches Gewicht zu geben.
Zunehmende Regionalisierung
Bereits heute erfordert die gemeinsame EWR-Mitgliedschaft eine Abstimmung. Die Nichtmitgliedschaft Islands und Norwegens in der EU war jedoch stets ein Hindernis für eine noch engere nordische Kooperation. Mit dem Brexit dürften Regionalisierungstendenzen zunehmen. Die Nordländer müssen auf diese Entwicklung reagieren.
Islands Wirtschaft hat sich nach der Finanzkrise erholt. Doch die Investitionen steigen nicht mehr so deutlich wie bisher. Das Wachstum verlangsamt sich, und der Beitrag des Außenhandels bleibt negativ. Die Boom-Jahre sind vorbei.
Im kommenden Jahr übernimmt Island den Vorsitz der nordischen Zusammenarbeit. Es gibt viel zu tun.
Dieser Text ist zuerst erschienen im DIG-Newsletter 2018.