25.09.2021

Regierungsbündnis in Island vor dem Aus

Bei den Parlamentswahlen an diesem Samstag muss die aktuelle Regierungskoalition unter Premierministerin Katrín Jakobsdóttir um ihre Mehrheit bangen. Dennoch könnten die bürgerlichen Partner der Links-Grünen Bewegung aus der Wahl als Sieger hervorgehen.

 

Blick auf das isländische Parlamentsgebäude. Bild von falco auf Pixabay.
Es wird spannend: Wer zieht ins isländische Parlament ein? © falco auf Pixabay.

 

Nicht nur in Deutschland müssen die Parteien im Wahlkampf bis zuletzt zittern. Auch in Island, wo an diesem Samstag ein neues Parlament gewählt wird, ist der Ausgang offen. Nach letzten Umfragen könnte das aktuelle Regierungsbündnis unter Premierministerin Katrín Jakobsdóttir seine Mehrheit im AlÞing verlieren.

 

Obgleich die Regierungschefin in der Bevölkerung beliebt ist, werden ihrer Links-Grünen Bewegung am Wahltag herbe Verluste vorausgesagt. Demnach könnte die Partei bis zu einem Drittel ihrer bisherigen Wählerstimmen verlieren; Beobachter sehen sie nur noch bei 10%.

 

Bis zum Frühjahr hatte die regierende Koalition in Umfragen noch vorne gelegen. Doch im Sommer zeichnete sich ab, dass es bei der Wahl eng werden dürfte. "Es hängt an ein, zwei, vielleicht drei Prozent, dass diese Regierung überlebt", zitiert tagesschau.de den Journalisten Thórður Snær Júlíusson.

 

Koalition zwischen ungleichen Partnern

 

Als damals jüngste Regierungschefin in Europa ging die Vorsitzende der Links-Grünen Bewegung Ende 2017 eine Koalition mit zwei Partnern ein, mit denen kaum einer gerechnet hatte: der Fortschritts- und der Unabhängigkeitspartei, beide liberal-konservativ ausgerichtet.

 

Eine „höchst ungewöhnliche Koalition“ (Jakobsdóttir), die nach zahlreichen politischen Skandalen, Rücktritten und Neuwahlen für einen Neuanfang stehen sollte – wenn auch nur einen halbherzigen; schließlich hatte Jakobsdóttirs neuer Koalitionspartner Bjarni Benediktsson das Amt des Premierministers wegen einer Vertuschungsaffäre abgegeben.

 

Viele zweifelten daran, dass die ungleichen Partner erfolgreich sein werden.

 

Die Corona-Krise indes hat die Karten neu gemischt. Auch wenn Island vergleichsweise glimpflich durch die Pandemie gekommen ist, ist es wirtschaftlich doch empfindlich getroffen.

 

Bereits im März 2020 schnürte die Regierung ein umfassendes Maßnahmenpaket, ein zweites folgte. Lohnfortzahlungen für die Beschäftigten, Überbrückungskredite an Unternehmen, öffentliche Infrastrukturprojekte und vorgezogene Steuererleichterungen sollten die Wirtschaft stützen.

 

Krisenmanagement statt Zukunftspolitik

 

Dennoch ist das Wachstum im Jahr 2020 deutlich zurückgegangen, zahlreiche Arbeitsplätze sind weggebrochen, vor allem in der für das Land so wichtigen Tourismusbranche. Krisenmanagement statt Zukunftspolitik.

 

Die Auswirkungen der Pandemie auf das Wohlfahrtssystem und das Gesundheitswesen waren denn auch bestimmend im Wahlkampf. Daneben spielte der Klimawandel eine wichtige Rolle – eigentlich ein klassisches Thema der Links-Grünen Bewegung.

 

Regierungschefin Jakobsdóttir hat in ihrer Amtszeit immer wieder versucht, linke Akzente zu setzen.

 

Im Arktischen Rat, dessen Vorsitz Island von 2019 bis 2021 innehatte, stemmte sich Island tapfer (und mit einigem Erfolg) gegen die knallharte Interessenpolitik der USA, Russlands und Chinas, die das Gremium lahmzulegen drohte. Den Einsatz von Militär und Nato lehnen Jakobsdóttir und ihre Partei ohnehin ab. 

 

Gemeinsam mit ihren Amtskolleginnen aus Schottland und Neuseeland legte Jakobsdóttir im Dezember 2019 eine Wohlfahrtsagenda vor. Das Ziel: "eine alternative Zukunft auf der Grundlage von Wohlstand und Wachstum, an dem alle teilhaben".

 

Daneben rückte die bekennende Feministin verstärkt Frauen- und Gleichstellungsthemen in den Fokus.

 

Konservative Parteien profitieren von Bündnis

 

Ob das ausgereicht hat, um die Wählerinnen und Wähler erneut zu überzeugen, wird sich an diesem Samstag zeigen.

 

Derzeit sieht es so aus, als hätten vor allem die Unabhängigkeits- und die Fortschrittspartei von dem ungleichen Koalitionsbündnis profitiert. Umfragen sagen ihnen die meisten (15 und neu) der insgesamt 63 Sitze im AlÞing voraus.

 

Die Wahllokale sind bis 24:00 Uhr deutscher Zeit geöffnet. Mit einem Ergebnis wird daher nicht vor Sonntagmorgen gerechnet, zumal aktuell in weiten Teilen des Landes eine schlechte Wetterlage herrscht, was die Auszählung verzögern könnte.

 

Erstmals treten bei dieser Wahl neun Parteien an. Die meisten Expert:innen gehen denn auch davon aus, dass ein Drei-Parteien-Bündnis künftig nicht mehr möglich sein wird und mehr Partner für eine Regierung benötigt werden.

 

Allerdings sei damit zu rechnen, dass Jakobsdóttirs Links-Grüne Bewegung in den anstehenden Koalitionsverhandlungen das Zünglein an der Waage spielen wird, so die Einschätzung des Online-Magazins Reykjavík Grapevine.

 

Es wird mit langwierigen Regierungsverhandlungen gerechnet. Für Jakobsdóttir nichts Neues. Auch bei den letzten Wahlen kam das aktuelle Koalitionsbündnis erst nach mehreren Anläufen zustande.  


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