10.09.2022
Er war Taxifahrer, Punkrocker, Komiker, Schriftsteller, und, ja, Politiker. Als Bürgermeister von Reykjavík hat Comedian Jón Gnarr seine Heimat aufgemischt. Jetzt präsentiert der 55-Jährige bei den Island Begegnungen in Oldenburg sein Theaterstück Hótel Volkswagen.
Anarcho, Comedian, Punkrocker: Jón Gnarr macht Theater. Im Rahmen der Island Begegnungen in Oldenburg präsentiert der Isländer sein Stück Hótel Volkswagen erstmals auf Deutsch – gelesen von Schauspieler:innen des Staatstheaters.
Geschrieben hat es der 55-Jährige 2010, als er Hausautor des Stadttheaters Borgarleikhúsið in Reykjavík war und noch nicht Bürgermeister der Hauptstadt.
Pálmi und sein zehnjähriger Sohn Siggi sind mit dem Wagen unterwegs nach Nirgendwo. In der Nähe der Pension haben sie eine Panne. Hotelbesitzer und Auto-Narr Svenni verspricht, sich zu kümmern. In der Lobby treffen Vater und Sohn auf ein schwules Ehepaar mit Kinderwunsch und einen Alt-Nazi mit zwei Schäferhunden, der auf seinen Pass wartet und ein neues Leben in Argentinien.
Eine schwarze Komödie über selbst gewählte Identitäten und deren Grenzen.
„Ich habe immer versucht, meinen Humor einzusetzen, um mit schwierigen Situationen in meinem Leben fertig zu werden“, sagte Gnarr vor einigen Jahren im Interview mit der Tageszeitung taz. „Ich bin dankbar für die Lebenserfahrungen. Es ist immer ein schmaler Grat zwischen Komödie und Tragödie.“
Und Lebenserfahrungen hat Jón Gunnar Kristinsson, wie er eigentlich heißt, einige gesammelt – amüsante und weniger komische, die er in seinem autobiographischen Roman Der Outlaw verarbeitet hat. Mit 14 hat er die Schule abgebrochen, war Taxifahrer, Musiker, Komiker, Schriftsteller, und, ja, Politiker.
Vier Jahre realpolitischer Ernst
Nach dem Finanz-Crash in Island 2010 gründete Gnarr mit Freunden die Beste Partei (Besti flokkurinn). Eine bunte Truppe ohne Infrastruktur, Mitglieder, Programm. Eigentlich wollte sich Gnarr über die Politik lustig machen – doch dann wurde es ernst. Denn er hatte einen Nerv getroffen.
Die Menschen trauten den etablierten Parteien nicht mehr und wählten ihn zum Bürgermeister von Reykjavík. Mit der Kraft des Nichts sei er ins Amt gekommen, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Vier Jahre Kommunalpolitik – in einer Koalition mit den Sozialdemokraten und viel realpolitischem Ernst.
Er sanierte die maroden Finanzen der Stadt, verschlankte die Verwaltung, ordnete den öffentlichen Nahverkehr neu – und brachte eine Schulreform auf den Weg. Das internationale Echo war gewaltig: „Mister Reykjavík“, „Ein Clown im Rathaus“, „Punk-Politiker“ schrieben Medien über ihn.
Doch nach vier Jahren war Schluss. Er habe in dieser Zeit so viele Dinge hintenanstellen müssen, die er eigentlich machen wollte, begründete er damals seinen Rückzug.
Und klang leicht entnervt, wenn er gefragt wurde, ob er nach seinem Ausflug in die Politik wieder auf der Bühne arbeiten werde. Er habe die Comedy nie verlassen. Während der vier Jahre im Amt habe er eben die Rolle des Bürgermeisters gespielt.
Ganz ernst nehmen darf man das wohl nicht. Aber vielleicht verrät es uns Jón Gnarr beim Besuch in Oldenburg. Im Gespräch mit Radio Bremen-Moderator Wolfgang Rumpf spricht er über seine Arbeit und seine Heimat Island.
Jón Gnarrs Hótel Volkswagen
Ein Gespräch mit dem Künstler und Politiker
Dienstag, 27. September 2022 – 20:00 Uhr
Alte Maschinenhalle
Pferdemarkt 8a | 26121 Oldenburg
Eintritt: 10,00 Euro
Karten:
Theaterkasse des Oldenburgischen Staatstheaters
oder unter tickets.staatstheater.de
Programm der Island-Begegnungen im Netz
© Fjoelnir Geir Bragason / Stadt Oldenburg
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