04.04.2024

Jón Gnarr im Rennen um Präsidentenamt

Am 1. Juni 2024 sind die Isländerinnen und Isländer aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Im Rennen um das höchste Amt im Staate ist jetzt auch Comedian Jón Gnarr, der schon in seiner Rolle als Bürgermeister von Reykjavík für Überraschungen sorgte.

 

Bessastaðir, der Amtssitz des isländischen Staatspräsidenten. Bild von Freysteinn G. Jonsson auf Unsplash.
Im Rennen um den Einzug in den Präsidentensitz: Comedian Jón Gnarr. © Freysteinn G. Jonsson auf Unsplash.

Kein Witz! Der Comedian und frühere Bürgermeister von Reykjavík, Jón Gnarr, tritt bei den Präsidentschaftswahlen in Island am 1. Juni 2024 an.

 

Seit Amtsinhaber Guðni Th. Jóhannesson seinen Rückzug angekündigt hatte, sei er „von vielen Menschen“ zu einer Kandidatur ermutigt worden, sagte der 57-Jährige in einem über die sozialen Medien verbreiteten Video.

 

Die Präsidentschaft sei „kein Job, sondern ein Lebensgefühl“, begründete Gnarr seine Kandidatur. Ein Präsident müsse die Seele der Nation verstehen und in der Lage sein, das Land zu einen.

 

Neben Gnarr, der auch als Musiker, Schriftsteller und Theatermacher reüssierte, haben derzeit mindestens vier weitere Wettbewerber:innen die erforderliche Anzahl von Unterstützungsunterschriften erreicht, wie das Online-Portal Iceland Review jetzt berichtete:

  • Arnar Þór Jónsson, Anwalt am Obersten Gerichtshof und früherer Abgeordneter der Unabhängigkeitspartei
  • Ástþór Magnússon, Autohändler und Friedensaktivist, der als Dauerkandidat für den Posten bekannt ist
  • Baldur Þórhallsson, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Island
  • Halla Tómasdóttir, Unternehmerin und frühere Hauptgeschäftsführerin der isländischen Handelskammer (Viðskiptaráð Íslands)

 

Wahl am 1. Juni 2024

 

Die Präsidentschaftswahlen in Island finden am 1. Juni 2024 statt. Amtsinhaber Guðni Th. Jóhannesson war 2016 mit 39 Prozent zum Staatspräsidenten gewählt worden; bei seiner Wiederwahl 2020 hatte der parteilose Historiker 92 Prozent der Stimmen erhalten.

 

In seiner Neujahrsansprache kündigte Jóhannesson an, sich nicht erneut zur Wiederwahl zu stellen. Seine Amtszeit läuft am 31. Juli 2024 aus.

 

Potenzielle Anwärter:innen auf den Posten gibt es viele. Insgesamt wollen nach bisherigem Stand (04.04.2024) 65 Personen im Rennen um das höchste Amt im Staat antreten, darunter sind auch die Leiterin der Isländischen Datenschutzbehörde, Helga Þórisdóttir, und die Finanzinvestorin und frühere Vorsitzende des Business-Netzwerkes für Frauen, Félag kvenna í atvinnulífinu – Association of Women Business Leaders in Iceland, Sigríður Hrund Pétursdóttir.

 

Wer bei der Wahl antreten will, muss sich auf der Website island.is registrieren und bis zum 26. April 2024 mindestens 1.500 Unterschriften sammeln. Die Regelung soll sicherstellen, dass nur ernsthafte Vorschläge zur Wahl stehen, die eine nennenswerte Zahl von Anhänger:innen im Wahlvolk finden.

 

Der Präsident wird direkt vom Volk für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und kann unbegrenzt wiedergewählt werden.

 

Weitere prominente Namen kursieren

 

Noch ist offen, ob auch Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir bei der Wahl antreten wird. Ihre Partei, die Links-Grüne Bewegung, die kleinste der drei Koalitionsparteien, schaffte es in jüngsten Umfragen nicht mehr über die Fünf-Prozent-Hürde.

 

Daher wird spekuliert, ob auch Jakobsdóttir, die das Amt 2017 der Regierungschefin mitten in einer politischen Krise übernahm, ihren Hut für das Präsident:innenamt in den Ring werfen wird.

 

Noch Anfang März hatte sie auf eine Anfrage im Parlament jedoch geantwortet, sie sei Premierministerin, und dies noch eine ganze Weile, wie das Online-Portal Iceland Review berichtete.

 

Eine weitere Aspirantin ist Halla Hrund Logadóttir, die Leiterin der Isländischen Energiebehörde (Orkustofnun). Sie sagte an diesem Mittwoch gegenüber der Tageszeitung Morgunblaðið, dass sie ihre endgültige Entscheidung über eine Kandidatur spätestens in der kommenden Woche fällen werde.

 

Die Wahl dürfte also spannend werden, zumal Island aktuell vor zahlreichen politischen Herausforderungen steht – Stichwort Inflation, Energiewende, Migration, Sicherheitspolitik.

Vom Rathaus ins Präsidentenamt: Jón Gnarr will es wissen, © Bernd Hildebrand / Pixabay (1), Fjoelnir Geir Bragason / Stadt Oldenburg (2), Freysteinn G. Jonsson / Unsplash (3)

Jón Gnarr sieht sich gut gerüstet

 

Durch seinen Posten als Bürgermeister von Reykjavík „in schwierigen Zeiten“ sehe er sich gut vorbereitet, betonte Gnarr in seinem (inoffiziellen) Bewerbungsvideo.

 

Nach dem Finanz-Crash hatte der isländische Komiker mit Freunden die Beste Partei (Besti flokkurinn) gegründet – eine bunte Truppe ohne Organisationsstruktur, Mitglieder und Programm.

 

Eigentlich wollte sich Gnarr über die Politik lustig machen – doch er traf einen Nerv. Die Menschen trauten den etablierten Parteien nicht mehr und wählten ihn zum Bürgermeister von Reykjavík.

 

Er sanierte die maroden Finanzen der Stadt, verschlankte die Verwaltung, ordnete den öffentlichen Nahverkehr neu – und brachte eine Schulreform auf den Weg. Das internationale Echo war gewaltig.

 

Doch nach vier Jahren war Schluss. Er habe in dieser Zeit so viele Dinge hintenanstellen müssen, die er eigentlich machen wollte, begründete er damals seinen Rückzug.

 

Comeback auf großer Bühne

 

Nun also ein spektakuläres Comeback auf der großen Bühne.

 

Gnarr hat sich viel vorgenommen. Er wolle gute Beziehungen zur Regierung unterhalten, Islands Well-being – mehr Wohlfahrt und Lebensqualität – voranbringen und das internationale Ansehen des Inselstaates weiter stärken.

 

Zuletzt hatte Island sich mit seiner erfolgreichen Initiative für ein internationales Schadensregister für die Ukraine hervorgetan, das beim Gipfel des Europarates im Mai 2023 in Reykjavík von mehr als 40 Staats- und Regierungschefs unterstützt wurde.

 

Frieden und Menschenrechte seien für ihn so etwas wie eine Berufung, so Gnarr weiter. Themen, an denen er auch als Präsident weiterarbeiten wolle. Für seine Bemühungen erhielt Gnarr 2014 den John Lennon-Friedenspreis, der von Yoko Ono, der Witwe des Beatles-Mitgründers, ins Leben gerufen wurde.

 

Auch in Deutschland ist Gnarr kein Unbekannter. Im Herbst 2022 präsentierte der Comedian sein Theaterstück Hótel Volkswagen bei den Island Begegnungen in Oldenburg.

 

Für Gnarr könnte es bald wieder ernst werden.

 

Die notwendigen Unterstützungsunterschriften hatte er laut dem Magazin Reykjavík Grapevine innerhalb von weniger als drei Stunden.


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