24.07.2021

Gefährliche Turbulenzen

Mit ihrer Island-Trilogie führt uns Lilja Sigurðardóttir in die Zeit kurz nach dem Bankencrash 2008. Eine Drogendealerin, eine Bankerin und eine Ex-Ermittlerin sind verstrickt in kriminelle Machenschaften. Über ein Land, das in der Krise seine Unschuld verloren hat.

 

Ein Flugzeug steht vor einem Flughafengebäude. Bild von Marcus Zymmer auf Unsplash.
Der Flughafen: Drehkreuz des Drogenschmuggels in Lilja Sigurðardóttirs Thriller-Reihe. © Marcus Zymmer auf Unsplash.

 

Mehr als einen Koffer braucht es nicht. Ein rastloses Leben, mit dem Rücken zur Wand. Doch während Bankerin Agla das Risiko liebt und weltweit Deals einfädelt, gerät Sonja unfreiwillig ins internationale Drogengeschäft.

 

Geschieden, verarmt und mit hohen Schulden, fürchtet sie ihren Sohn an den Ex-Mann zu verlieren. Sie lässt sich hinreißen, schmuggelt Kokain, und schon bald haben die Drogenmafia und der Zollbeamte Bragi sie in der Hand.

 

Korruption, Geldwäsche, Drogen – selbst die höchsten Kreise sind in kriminelle Machenschaften verstrickt. Lilja Sigurðardóttir zeichnet in ihrer Island-Trilogie das düstere Bild eines Landes, das seine Unschuld verloren hat und trotz Bankencrash weitermacht wie bisher.

 

Wir verfolgen das Geschehen aus der Perspektive der Täterinnen. Agla, die an ihrer Einsamkeit zu ersticken droht und doch den Mantel der hartgesottenen Bankerin nicht abzulegen vermag. Sonja, die sich aus Angst um ihren Sohn immer tiefer in kriminelle Machenschaften verstrickt.

 

Die Frauen – sie sind hier nicht die Guten.

 

Die Island-Trilogie von Lilja Sigurðadóttir:

 

Band 1: Das Netz (Gildran)

DuMont Buchverlag Köln 2020, 366 Seiten

 

Band 2: Die Schlinge (Nedi?)

DuMont Buchverlag Köln 2020, 367 Seiten

 

Band 3: Der Käfig (Búrið)

DuMont Buchverlag Köln 2021, 383 Seiten


 

Und doch heben sich Sigurðardóttirs Figuren mit ihrer Verletzlichkeit ab in einem Genre, in dem es lange Zeit nur harte Kerle und schweigsame Ermittler gab.

 

Sonjas Verhältnis mit der Bankmanagerin, das einst ihre Ehe zerstörte, Aglas Affäre mit ihrer Mitgefangenen Elisa – die Liebe zwischen Frauen wird hier ungewöhnlich offen geschildert.

 

Leserinnen sind auch im Krimigenre längst die wichtigste Zielgruppe, und so hat sich auch das Frauenbild gewandelt, ist moderner geworden, vielschichtiger.

 

Dennoch kommen einige Handlungsstränge bei Sigurðadóttir recht klischeehaft daher. Hier die elegante, aber undurchschaubare Bankerin Agla, dort ihre junge, naive Geliebte Elísa; Sonja, die sich mit allerlei finsteren Gestalten herumschlagen muss, ihrem skrupellosen Ex-Mann, der knallharten Witwe eines mexikanischen Drogenbosses und selbst einem übelgelaunten Tiger.

 

Und doch vermag es Sigurðadóttir, den Spannungsbogen über drei Bände zu halten – auch weil sie in den Büchern mühelos die Perspektive wechselt.

 

Gebannt beobachten wir zunächst Sonja, wie sie jede Drogenlieferung minutiös prepariert, um ungehindert am Zoll vorbeizukommen.

 

Spannung trotz kleiner Schwächen

 

Wir folgen Agla, die sich – nach der Trennung von Sonja psychisch am Ende – auf einen undurchsichtigen Deal mit der Aluminiumindustrie einlässt. Schließlich María, die sich nach ihrem Rauswurf bei der Staatsanwaltschaft mehr schlecht als recht als Journalistin durchschlägt und nun in Aglas Auftrag über die Geschäfte der Aluminiumbosse recherchieren soll.

 

Das ist nicht immer ganz plausibel. Doch Sigurðadóttir will den Finger in die Wunde legen.

 

Was bleibt, ist der Eindruck, dass Island ein Land mit vielen Problemen ist – überforderte Ermittler, korrupte Geschäftsleute, Drogensumpf und internationale Kartelle. Eine bittere Aufarbeitung der Finanzkrise, schonungslos und ohne Illusionen.

 

Am Ende sind die Rollen zwischen den Figuren vertauscht. Die Businessfrau Agla zieht sich ins Privatleben zurück, während Sonja das isländische Drogengeschäft übernimmt. Dennoch bleibt sie getrieben von der Angst, erneut die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren.

 

Die Geister, die sie rief, wird sie nicht mehr los.

 

María hingegen gelingt der Absprung. Sie kann eine große Story landen und macht ihren Frieden mit der einstigen Widersacherin Agla. Zwei Frauen, die sich nicht mögen, aber die sich kennen.

 

Mehr ist dieser Welt nicht zu erwarten. 

 

 

Text: Nicole Maschler

 

 


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