06.04.2024

Über das Leben mit Narben

Die schweizerisch-kanadische Regisseurin Léa Pool hat den Roman Hotel Silence der isländischen Autorin Auður Ava Ólafsdóttir verfilmt. Wir begegnen Jean, einem Antihelden, der in einem kriegsversehrten Niemandsland in Europa ins Leben zurückfindet.

 

Hotelschild. Bild von possessed photography auf Unsplash.
Im "Hotel Silence" findet Antiheld Jean ins Leben zurück. © possessed photography auf Unsplash.

Narben. Davon handelt der im Herbst 2023 erstmals auf Deutsch erschienene Roman Hotel Silence der isländischen Autorin Auður Ava Ólafsdóttir, Narben, die das Leben schlägt – körperlich und seelisch.

 

Jetzt hat die schweizerisch-kanadische Filmregisseurin und Drehbuchautorin Léa Pool das Buch, das in Island bereits 2016 unter dem Titel Ör (eben Narben) erschienen ist, verfilmt. In Kanada ist das Filmdrama, für das Pool gemeinsam mit Auður Ava Ólafsdóttir das Drehbuch schrieb, seit dem 29. März 2024 in den Kinos zu sehen.

 

Mit Hotel Silence zeichnet Auður Ava Ólafsdóttir einen ratlosen Antihelden, der das Leben satt hat. Er macht sich auf den Weg in ein kriegsversehrtes Land, um in Ruhe sterben zu können. Doch was eine Reise in den Tod werden soll, wird zu einem Neuanfang.

 

Jónas gibt auf die Versehrungen um ihn herum seine eigene Antwort, indem er zum Bohrer greift und Kaputtes heil macht. Am Ende kehrt er nach Island zurück, mit Narben zwar, aber die wunde Seele geheilt.

 

Das Buch wurde mit dem Isländischen Literaturpreis sowie dem Literaturpreis des Nordischen Rates ausgezeichnet.

 

Hoffnung und Menschlichkeit

 

In der Vergangenheit hatte Ólafsdóttir alle Anfragen nach Verfilmungen ihrer Bücher stets abgelehnt, bis Léa Pool ihr vorschlug, den Erfolgsroman Narben zu verfilmen. 

 

Zum großen Erstaunen der Regisseurin sagte Ólafsdóttir zu; sie ließ ihr sogar freie Hand, damit sie den Film machen konnte, der ihr vorschwebte, wie Pool im Interview mit der Zeitung Le Journal de Montréal jetzt berichtete.

 

Léa Pool hatte die Filmrechte vor mehr als fünf Jahren erworben, lange vor den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen. „Kriege gab es bereits zuvor, es gibt heute welche, und es wird weitere geben."

 

Im Buch lebt Jónas in Island, im Film ist die Rahmenhandlung nach Kanada verlegt. Jean verlässt seine Heimat Québec und macht sich auf in ein weit entferntes Land irgendwo in Europa.

 

Sie habe sich, wie die Autorin, bewusst dagegen entschieden, die Geschichte räumlich und zeitlich zu verorten. Der Film sollte die Nachkriegszeit und den Wiederaufbau in den Fokus rücken. „Hotel Silence ist eine Fabel. Ich wollte die Schönheit der Dinge zeigen, trotz des Leidens, um Hoffnung und Menschlichkeit wiederzufinden.“

 

Krise als Aufbruch

 

Die 73-jährige Pool wuchs in Lausanne auf und kam 1975 nach Nordamerika, um das Filmhandwerk zu lernen.

 

„Ich mag Geschichten, die in Hotels und an Bahnhöfen spielen, weil man dort auf Menschen trifft, die sich im Übergang, in der Krise befinden und gezwungen sind, ihr Leben zu verändern.“

 

Der rund 140-minütige Film Hotel Silence, eine französisch-kanadisch-schweizerische Koproduktion, wurde zu großen Teilen in dem französischen Dorf Cerbère an der Grenze zu Spanien gedreht.

 

Die Hauptfigur wird von dem kanadischen Schauspieler Sébastian Ricard dargestellt, bekannt für DédéDie Invasion der Barbaren (2003), À travers les brumes (2009) und Avant que mon coeur bascule (2012).

 

Zu den weiteren Mitwirkenden gehört die französisch-schweizerische Film- und Theaterschauspielerin Irène Jacob, die Anfang der 1990er Jahre internationale Bekanntheit durch ihre Hauptrollen in zwei Filmen des polnischen Regisseurs Krzysztof Kieślowski – Die zwei Leben der Veronika und Drei Farben: Rot – erlangte.

 

Termine für einen Filmstart in Europa sind bisher nicht bekannt.


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