02.05.2022

Er spielte bereits mit Björk und trat beim European Song Contest für Island an. Nun macht der isländische Sänger und Komponist Gísli Magna Station in Bremerhaven und präsentiert sein Album Nóttin og Þú. Im DIG-Interview spricht er über das ungewöhnliche Werk.  

Gísli Magna ist Chorleiter, Komponist und Sänger – und eine Musikgröße in Island. Am Samstag, den 7. Mai 2022, präsentiert er sein Album Nóttin og Þú – The Night and you im Bremerhavener Theater im Fischereihafen – gefördert von der Deutsch-Isländischen Gesellschaft. Eine stimmungsvolle Mischung aus Swing, Jazz und Chanson – und eine Hommage an seinen Großvater. Im Interview mit der DIG erzählt Gísli Magna von dem ungewöhnlichen Projekt. 

DIG: Sie haben von Ihrem Großvater Musikstücke geerbt, die zwischen 1950 und 1960 entstanden sind. Wie kamen Sie auf die Idee, diese fast 70 Jahre später auf die Bühne zu bringen?

Gísli Magna: Ich habe sehr viele Erinnerungen an meinen Vater, wie er zu Hause am Klavier sitzt und spielt – meist Stücke von meinem Großvater. Seine Musik begleitet mich somit seit der Kindheit. Als ich die Sammlung übernahm, habe ich mir Lied für Lied vorgenommen und recherchiert, was davon bereits veröffentlicht wurde. Die Audio-Bibliothek des RÚV, des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders in Island, ist dafür sehr hilfreich.

Ich fand heraus, dass ziemlich viele Lieder nie herausgebracht wurden, und so entstand die Idee, etwas zu unternehmen, um diese verborgenen Schätze mit der Welt zu teilen.

Was ist das Besondere an den Liedern?

Als diese Lieder geschrieben wurden, gab es in Island nur einen einzigen Radiosender – das sollten wir nicht vergessen! Mein Großvater lebte damals in einem ganz kleinen Dorf, in Patreksfjörður, wo ich auch geboren bin. Zu dieser Zeit kam man nur mit dem Schiff dorthin, da es die heutigen Straßen noch nicht gab. Wenn Sie sich das vorstellen und daran denken, dass er all diese Musik erschaffen hat, kann man seinen Esprit und seinen Schaffensdrang nur bewundern.

Menschen erhalten Impulse durch das, was sie sehen, hören und fühlen, und wir haben heute grenzenlosen Input. Aber damals gab es nur diesen einen Radiosender. Für mich steht fest, dass er sehr begabt war. Ich frage mich oft, wie sich die Dinge wohl für ihn entwickelt hätten, wenn er heute jung wäre, mit seinen Talenten.

Sie sind in Island sehr bekannt als Chorleiter und Background-Sänger. Ist es ungewohnt, nun selbst im Scheinwerferlicht zu stehen?

Ich hatte niemals wirklich das Bedürfnis, selbst im Rampenlicht zu stehen, auch wenn ich durchaus schon als Solist aufgetreten bin, z.B. 2019 im Musical Das Phantom der Oper.

Gehen Sie zum ersten Mal in Deutschland auf Tour, und wie kam es dazu?

Ja, das ist meine erste Tournee in Deutschland. Mein Lebensgefährte kommt aus Deutschland, und als ich mein Album veröffentlichte, hatte seine Schwester die großartige Idee, isländische und deutsche Musiker zusammenzubringen. Ihr Freund ist auch Musiker und Mitglied der Berliner Band The Baseballs. Das Ergebnis ist diese Deutschland-Tour mit einer Band, die zur Hälfte aus Deutschen und aus Isländern besteht. Fantastisch!

Island verbinden viele bei uns nicht mit Jazz oder Swing – haben wir da ein falsches Bild?

Island ist ein sehr kleines Land und hat nur etwa 360.000 Einwohnerinnen und Einwohner, aber Sie werden überrascht sein, wie lebhaft die Jazz-Szene dort ist. Die Leute nehmen Jazz-Unterricht in Reykjavík und gehen dann sehr häufig zum weiteren Studium in die USA, nach Berlin, in die Niederlande oder nach Skandinavien.

Es lohnt sich, isländischen Jazz auf der Musik-Streaming-Plattform Spotify zu erkunden und zu entdecken, was es dort alles gibt.

Ähnliche Beiträge