08.11.2021
Seit 2011 steht Hannes Thór Halldórsson für Islands Nationalteam im Tor. Doch der 37-Jährige ist nicht nur Profi-Fußballer, sondern auch erfolgreicher Filmregisseur. Bei den Nordischen Filmtagen Lübeck wurde er jetzt für das Beste Spielfilmdebüt ausgezeichnet.
Mit Treffern kennt sich Hannes Thór Halldórsson aus. Schließlich steht der 37-Jährige seit Jahren für Islands Nationalmannschaft im Tor. Doch nun hat er selbst einen großen Wurf gelandet: Für Leynilögga (Cop Secret) konnte er bei den 63. Nordischen Filmtagen Lübeck am Freitag den Preis für das Beste Spielfilmdebüt entgegennehmen.
Denn Halldórsson ist nicht nur Profi-Fußballer, sondern auch einer der bekanntesten Regisseure im kleinen Inselstaat.
Als Jugendlicher träumte der heute 37-Jährige von der großen Fußball-Karriere und dribbelte sich als Nachwuchstalent ganz nach vorne. Aber ein Snowboard-Unfall veränderte alles. Jahrelang litt Halldórsson unter den Folgen, Operationen inklusive. Die Karriere als Sportler schien beendet, bevor sie begonnen hatte.
Halldórsson ließ sich nicht entmutigen und widmete sich seiner zweiten Leidenschaft: dem Film. Noch während der Schulzeit realisierte er sein erstes Projekt und absolvierte ein Praktikum bei einer Produktionsfirma.
Bald drehte er Werbung, Kurzfilme und Dokumentationen und machte sich einen Namen als Regisseur, der auch mit kleinem Team und Budget gute Arbeit abliefert.
Eines Tages fragte ihn ein Bekannter, ob er als Aushilfstorwart in der dritten Liga einspringen könne. Halldórsson, mit 105 Kilo nicht gerade in bester Form, sagte zu – und plötzlich war der sportliche Ehrgeiz wieder geweckt.
Er ging täglich ins Fitnessstudio, begann erneut mit dem Fußballtraining, wechselte bald in die zweite Liga, dann in die erste - und spielte 2011 mit der Nationalelf sein erstes Länderspiel. 77 Mal stand er seither für Island im Tor.
Eine Karriere wie in Hollywood
Eine Karriere nach Hollywood-Drehbuch, die so vielleicht nur in Island möglich ist, wo selbst der Coach in Teilzeit arbeitet.
2016 schaffte es Halldórsson mit seinem Team gegen England bis ins EM-Viertelfinale. Bei der WM 2018 hielt der 1,93-Meter-Mann einen Strafstoß von Fußballstar Lionel Messie – seitdem gilt er in der Heimat als Held.
Und auch mit der Film-Karriere lief es rund. 2012 drehte er das Musikvideo von Gréta Salóme und Jónsi für den Eurovision Song-Contest, machte Werbung für ein schwedisches Möbelhaus und einen Image-Spot mit der isländischen Nationalmannschaft für die Fluglinie Icelandair – mit sich selbst als Hauptdarsteller.
Eine Doppelrolle, die ihn zunehmend an Grenzen brachte. Regelmäßig stand er um vier Uhr morgens auf, arbeitete zwölf Stunden am nächsten Film-Projekt und fuhr dann zum Training. Ein Burnout war nur noch eine Frage der Zeit.
2013, inzwischen Vater geworden, musste er sich zwischen beiden Karrieren entscheiden. Er wählte den Fußball. Vorerst.
Doch ganz lassen konnte er vom Film nicht, und so hatte im August 2021 sein erster Spielfilm Leynilögga (Cop Secret) beim Locarno Film Festival Weltpremiere – eine rasante Parodie auf das Genre des Polizeifilms.
Szenenapplaus und ein Preis
In Locarno gab es dafür Szenenapplaus, und bei den Nordischen Filmtagen Lübeck, wo der Action-Streifen in der vergangenen Woche zur Eröffnung gezeigt wurde, jetzt den Preis für das Beste Spielfilmdebüt.
Die Handlung: Islands Hauptstadt wird von mysteriösen Banküberfällen erschüttert, bei denen scheinbar nichts entwendet wird. Wer steckt dahinter und warum? Bússi, der härteste Polizist der Stadt, soll die Bande überführen, gemeinsam mit seinem neuen Partner, dem Provinzpolizisten Hörður, einem ehemaligen Model.
Bei seinen Verfolgungsjagden trifft das ungleiche Duo auf zahlreiche isländische Promis, darunter den Comedian und früheren Bürgermeister von Reykjavík, Jón Gnarr, und Let´s Dance-Sieger Rúrik Gíslason.
Der Showdown findet – wie könnte es anders sein – parallel zum Frauenfußball-Match Island gegen England statt.
Er könne jederzeit hinter die Kamera zurückkehren, hatte sein Arbeitgeber Sagafilm ihm in Aussicht gestellt, als Halldórsson vor ein paar Jahren seinen Profi-Vertrag unterzeichnete.
Islands Fußballer hatten zuletzt, nun ja, keinen guten Lauf. Das Nationalteam und der Verband kämpfen mit Missbrauchsvorwürfen und haben dabei viele Sympathien verspielt.
Vielleicht ist der Zeitpunkt für den Wechsel jetzt gekommen.
Text: Nicole Maschler
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