05.06.2024

Was Katrín Jakobsdóttirs Niederlage bedeutet

Islands Ex-Premierministerin Katrín Jakobsdóttir hat sich auch international einen Namen gemacht. Viele sahen die langjährige Frontfrau der Links-Grünen Bewegung bereits als Präsidentin. Doch am Wochenende gab es ein böses Erwachen. Was ist da passiert? 

 

Halla Tómasdóttir gewinnt Präsidentschaftswahlen in Island. Bild von DIG.
Halla Tómasdóttir gewinnt Präsidentschaftswahlen in Island. © DIG.

Als die bisherige Premierministerin Katrín Jakobsdóttir 2017 ins Amt kam, war sie die beliebteste Politikerin Islands. Laut Umfragen gab es niemanden, dem die Isländerinnen und Isländer mehr vertrauten.

 

Wäre sie bei den Präsidentschaftswahlen 2016 angetreten, hätte ihr wohl keiner den Sieg nehmen können. Damals tobte der Skandal um das Offshore-Vermögen mehrerer Minister. Jakobsdóttir galt als unbelastet, ehrlich und als moralisches Vorbild.

 

Acht Jahre später hat sie tatsächlich ihren Hut in den Ring geworfen – und klar verloren. Was ist passiert, sahen viele die einstige Hoffnungsträgerin vor der Wahl am 1. Juni 2024 doch schon als Gewinnerin? In letzten Umfragen war beinahe die Hälfte der Befragten überzeugt, dass die frühere Regierungschefin das Rennen machen würde.

 

Möglicherweise hat gerade dies zahlreiche Wählerinnen und Wähler dazu bewogen, am Ende der Unternehmerin Halla Tómasdóttir ihre Stimme zu geben, die sich schließlich mit 34,3 Prozent gegen ihre Konkurrentin (25,2%) durchsetzte.

 

Jakobsdóttir verkörpert links-alternativen Milieu

 

Es waren vermutlich mehrere Gründe, die Katrín Jakobsdóttir am Ende den Sieg kosteten.

 

Die frühere Frontfrau der Links-Grünen Bewegung stand wie keine zweite für das links-alternative Milieu. Doch die kleinste der drei Regierungsparteien, deren Vorsitzende sie seit 2013 war, hatte in Umfragen seit Monaten schlecht abgeschnitten. Mehrere Meinungsforschungsinstitute gingen sogar davon aus, dass die Partei bei Parlamentswahlen unter der Fünf-Prozent-Hürde landen würde.

 

Angesichts der miserablen Umfragewerte spekulierten politische Beobachter:innen bereits unmittelbar nach der Ankündigung des bisherigen Amtsinhabers Guðni Th. Jóhannesson, sich nicht noch einmal zur Wiederwahl zu stellen, dass Jakobsdóttir ihren bisherigen Posten aufgeben und sich um das Amt des Staatsoberhaupts bewerben werde.

 

Die bisherige Regierungschefin hatte vor allem in der Hauptstadtregion die Nase vorn (27,9% in Reykjavík Nord, 28,8% in Reykjavík Süd und 25% im Südwesten). Doch das reichte am Ende nicht für den Sieg auf Landesebene.

 

Ein deutliches Zeichen, dass Jakobsdóttir vor allem ihre angestammten Wählerinnen und Wähler überzeugen konnte, nicht aber in der Breite gewonnen hat.


29.05.2024 | © Sigurgeir Sigurjónsson

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Über die Gründe kann man nur spekulieren. Auf dem internationalen Parkett gab Jakobsdóttir eine gute Figur ab: So hatte Island in der Rolle des Gastgebers wesentliche Impulse für den Jubiläumsgipfel des Europarates in Reykjavík gegeben, bei dem die Staats- und Regierungschefs aus aller Welt sich auf ein internationales Schadensregister für die Ukraine, um die Verluste durch den russischen Angriffskrieg zu dokumentieren.

 

Auch während der Präsidentschaft im Nordischen Rat konnte Island Anstöße geben, um die fünf Partnerländer in Europa als politischen Player zu etablieren, und sich mit dem in Reykjavík ansässigen Sekretariat des Arctic Council als wichtiger Impulsgeber präsentieren.

 

Auch Gendergerechtigkeit und die Wellbeing-Ökonomie, die Würde, Fairness und Teilhabe für alle ermöglichen soll, waren Chefinnen-Sache.  

 

Themen, mit denen sie offenbar nicht den Nerv der breiten Bevölkerung getroffen hat, die auch in Island von steigenden Preisen und hoher Inflation geplagt war.

 

Expertin mit Distanz zum Parteienklüngel

 

Ihre Konkurrentin Halla Tómasdóttir, die in der Vergangenheit für große internationale Unternehmen unter anderem in den USA, in Großbritannien und in Dänemark arbeitete und zwischenzeitlich Hauptgeschäftsführerin der Isländischen Handelskammer (Viðskiptaráð Íslands) war, gründete mit einer Partnerin die Finanz- und Investmentgesellschaft Auður Capital, die sich zum Ziel gesetzt hatte, „weibliche Werte“ im Finanzsektor einzubringen und in nachhaltige Projekte zu investieren.

 

Neben ihrer Wirtschaftserfahrung konnte Tómasdóttir auch mit ihrer politischen Expertise punkten: Als Reaktion auf die Finanzkrise hatte sie 2009 eine Nationalversammlung organisiert und war bereits 2016 erstmals als Präsidentschaftskandidatin angetreten. Damals musste sie sich jedoch gegenüber dem parteilosen Historiker Guðni Th. Jóhannesson geschlagen geben; immerhin schaffte sie es auf den zweiten Platz.

 

Dennoch galt sie vielen Menschen offenbar als unverbrauchte Kandidatin, die sich bisher aus dem Parteiklüngel herausgehalten hat – und  die Wählerinnen und Wähler offenbarten mit ihrem deutlichen Votum auch ihre Skepsis gegenüber einem quasi nahtlosen Wechsel vom Amt der Premierministerin auf den Posten der Staatspräsidentin.

 

So gesehen ist die Niederlage von Katrín Jakobsdóttir auch ein Akt der politischen Hygiene.


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